Die Republik diskutiert über Sexismus. Der Vorwurf kennt bislang nur eine Richtung. Reden wir doch mal über Sexismus gegen Männer
Fragt man sich, was die gesellschaftlichen Großtrends des letzten Vierteljahrhunderts gewesen ist, dürfte die Delegitimierung von Männlichkeit beste Chancen auf den Spitzenplatz haben. Aussagen wie „Der Mann ist sexuell und sozial ein Idiot“ („Der bewegte Mann“ 1987) oder „Männer sind Schweine“ („Die Ärzte“ 1998) werden inzwischen im vollen anklägerischen Ernst vorgetragen. In einer TV-Runde zur sogenannten Sexismus-Debatte war auf einmal sogar al fresco von „Tätern“ die Rede, und es ging, wohlgemerkt, nicht um Vergewaltiger.
Wenn man den Buchmarkt als Indikator nimmt, dann stehen bezüglich der Geschlechterfrage die beiden Trends bolzenfest: Frauen steigen auf, Männer ab. Während zu der ersten Entwicklung offiziell nur die Haltung uneingeschränkter Akklamation möglich ist, wird der Abstieg des Mannes teils mit tribunalistischer Schadenfreude, teils aber auch mitleidig kommentiert. Da Mitleid ebenfalls eine Form der Aggression sein kann, darf von einer nahezu flächendeckenden Aggressivität gegen das vermeintlich aggressive Geschlecht durchaus gesprochen werden.
Folgende Buchtitel kamen in den letzten Jahren in den Handel (die Auswahl ist höchst unvollständig): „Männer haben keine Zukunft“, „Weißbuch Frauen/Schwarzbuch Männer: Warum wir einen neuen Geschlechtervertrag brauchen“, „Die Krise der Männlichkeit“, „Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“, „Sternzeichen Scheißkerl“, „Der Mann. Ein Irrtum der Natur?“, „Männer in Freilandhaltung“, „Keine Zukunft für Adam“, „Männerversagen“, „Der blockierte Mann“, „Warum der Mann nicht lieben kann“, „Man gewöhnt sich an alles, nur nicht an einen Mann“, „Blöde Männer“, „Männer sind doof“, „Männer taugen zu nichts“, „Warum Männer nichts taugen“, „Der Mann als logische und sittliche Unmöglichkeit und als Fluch der Welt“, „Trau niemals einem Mann“, „Wie ändere ich meinen Mann“, „MännerVersagen“, „Wie erziehe ich meinen Mann“, „Ein bisschen Männerhass steht jeder Frau“, „Hunde sind die besseren Männer“, „Auslaufmodell Mann“, „Der Mann ein Auslaufmodell?“, „Was tun mit nutzlosen Männern?“, „Mimosen in Hosen. Eine Naturgeschichte des Mannes“, „Männer – das schwache Geschlecht“. Nicht zu vergessen die Neuauflage von Valerie Solanas’ „Manifest zur Vernichtung der Männer“. Und so fort.
Die Floskel, jemand oder etwas sei „frauenfeindlich“, ist heutzutage ein arger Vorwurf, dessen Anwendung schnell Sanktionen nach sich zieht, während die multimediale Kollektivschmähung von Männern völlig normal geworden ist. Unvergessen ist die Bemerkung der FDP-Politikerin Cornelia Pieper, der Mann sei „von der Evolution und dem weiblichen Geschlecht überholt“ worden. „Eine Krankheit namens Mann“ überschrieb der „Spiegel“ eine Titelgeschichte. Alice Schwarzer, Herausgeberin eines Magazins, in welchem jahrelang behauptete wurde, „alle Männer“ seien „potentielle Vergewaltiger“, und in dem Witze gedruckt werden wie „Was ist ein Mann in Salzsäure? – Ein gelöstes Problem“, jene Sexistin der ersten Stunde wurde vom Patriarchat mit dem Bundesverdienstkeuz belohnt. Typisch auch, welche Rolle Männer heute gemeinhin in den TV-Werbeclips spielen: die des Trottels. Männlich, weiß, heterosexuell, Familienvater: Das ist ganz schlecht fürs Image
„Am Ende hängen wir doch ab von Kreaturen, die wir machten“, spricht der Teufel im „Faust“. Junge Männer wachsen heute ohne Vorbild auf, ohne Männlichkeitsideal, ohne maskuline Leitbilder (und, nebenbei, ohne Manieren); sie werden gehalten, sich an den Mädchen zu orientieren, keine Kerle und Kämpfer zu sein, aber flexibel, teamfähig, anpassungsbereit. Dieser Typus, dem jeder Stolz abtrainiert wurde, steht nun abends an der Bar und macht auf dicke Hose, hat aber keine mehr. Kann es sein, dass hinter der Sexismus-Debatte auch die Klage der Frauen steckt, dass sie nicht mehr von Männern angemacht werden, sondern von Wichteln, die sich für Männer halten?
Erschienen (leicht gekürzt) in: Focus 6/2013