Anonyme Humanisten

Wie ich auf Wiki­pe­dia zum „neu­rech­ten Ket­ten­hund” wurde/Ein (immer mal wie­der auf den neu­es­ten Stand gebrach­tes) Wort in eige­ner Sache

 

„Papa“, frag­te mein Neun­jäh­ri­ger, „wenn dich jemand öffent­lich ‚Hund‘ nennt, war­um haust du dem nicht eine auf die Zwölf?“ Nein, ich erzähl­te nichts von Zivil­ge­sell­schaft und Duell­ver­bot, son­dern erklär­te, dass ich die­sen Men­schen gar nicht ken­ne und dass er mir das nicht ins Gesicht gesagt habe, das wür­de der sich gar nicht trau­en, son­dern er habe es geschrie­ben, und das stün­de nun in die­sem Online-Lexi­kon, das er, Sohn, ja aus der Schu­le ken­ne. „Und war­um schreibt der so was?“ Nun, das sei eben ein Maul­held, der über gewis­se Din­ge ande­rer Mei­nung sei als ich und das nicht ele­gan­ter for­mu­lie­ren kön­ne. „Aber wie­so steht so was in einem Lexi­kon?“ – Kin­der stel­len oft die rich­ti­gen Fragen.

Der Rei­he nach. Nach­dem ich in einem Arti­kel die Umar­bei­tung des Wiki­pe­dia-Ein­trags über die liber­tä­re Zeit­schrift „eigen­tüm­lich frei“ und deren frag­wür­di­ge Ein­sor­tie­rung bei der „Neu­en Rech­ten“ the­ma­ti­siert hat­te (FOCUS 46/2012), nahm sich der anony­me Autoren­schwarm prompt jener Wiki­pe­dia-Sei­te an, über wel­cher mein Name steht. Das Resul­tat ist nicht nur der erwart­ba­re Ver­such, mich eben­falls erken­nungs­dienst­lich der bösen Rech­ten zuzu­ord­nen, son­dern oben­drein einer Spe­zi­es als bos­haft gel­ten­der Vier­bei­ner. Die „Rechts­extre­mis­mus­for­scher“ Mar­tin Dietzsch und Anton Mae­ger­le „ver­or­ten den von ihnen mit ‚Ket­ten­hund’ beti­tel­ten Klo­novs­ky … in der Neu­en Rech­ten“, kann man in Wiki­pe­dia lesen (dabei ist mir alles Neue ein Graus!). Der apar­te Tier­ver­gleich taucht auf der Sei­te mal auf, dann ver­schwin­det er wie­der, weil die­se Gesin­nungs-Papa­raz­zi natür­lich wis­sen, über wes­sen Geis­tes­zu­stand er tat­säch­lich Aus­kunft gibt und ihn lie­ber weg­ha­ben wol­len; er ist aber im Anmer­kungs­teil jeder­zeit abruf­bar. Die Rubri­zie­rung unter „Neue Rech­te“ wie­der­um ist des­we­gen obli­ga­to­risch, weil man dort zum Sym­pa­thi­san­ten des „völ­ki­schen Natio­na­lis­mus“ wird – und einen Klick wei­ter der NPD. Der Ein­trag wird abge­run­det durch fal­sche Behaup­tun­gen über den Inhalt eines Gerichts­ur­teils, ein Zitat aus der Fach­zeit­schrift „Emma“ sowie die Beur­tei­lung mei­ner Per­son durch Sozio- und Poli­to­lo­gen, so namen­los wie links, deren wesent­li­che wis­sen­schaft­li­che Leis­tung dar­in besteht, mich zu zitie­ren und das Zitier­te dann ganz schlimm zu finden. 

Gleich­wohl blei­ben Fra­gen. Zum Bei­spiel, wer mich am ande­ren Ket­ten­en­de hält. Hel­mut Mark­wort? Die Ban­ken­ma­fia? Der NSU? Und wer sind die­se bei­den meta­phern­freu­di­gen „For­scher“ mit offen­bar enzy­klo­pä­di­scher Rele­vanz? Der eine ist momen­tan Her­aus­ge­ber der „Anti­fa­schis­ti­schen Nach­rich­ten“, die von ver­schie­de­nen Ver­fas­sungs­schutz­be­hör­den dem links­extre­mis­ti­schen Spek­trum zuge­ord­net wer­den (steht so in Wiki­pe­dia! Tut doch was!), der ande­re fühlt sich der­ma­ßen ver­folgt, dass er unter Pseud­onym ver­leum­den muss. Bei­de schrei­ben für das Duis­bur­ger Insti­tut für Sozi­al­for­schung (DISS), ein bedeu­ten­der Links­extre­mis­ten­süpp­chen­koch­club mit min­des­tens drei fest­an­ge­stell­ten Köchen.

Die Wiki­pe­dia-Schrei­ber selbst wer­keln unter Pseud­ony­men wie „Fio­na“, „San­Fran Far­mer“ und „Bür­ger­li­cher Huma­nist“ (Letz­te­rer brach­te mich kurz­zei­tig auf die Idee, mich als „Pro­le­ta­ri­scher Humo­rist“ ein­zu­log­gen). Die Ver­mu­tung liegt nahe, dass sie in ihrem ana­lo­gen Leben nichts Geschei­tes zu tun haben.

Im Grun­de ist es fast scha­de, dass sich ande­re Autoren par­al­lel um eine aus­ge­wo­ge­ne Dar­stel­lung bemü­hen und der Arti­kel so eine par­ti­ell seriö­se Anmu­tung bekommt. Sonst wür­de sich schnel­ler her­um­spre­chen, dass in gewis­sen poli­ti­schen Fra­gen die deut­sche Wiki­pe­dia nichts ande­res ist als ein lin­ker Denunziantenstadl.

 

Erschie­nen in Focus 48/2012, S. 141 

 

 

 

P.S.: Ich schriebt in Focus 50/2007, S. 51 (der Arti­kel ist wegen des ange­spro­che­nen Gerichts­ur­teils nicht in der online-Daten­bank) einen kur­zen Text über das von Ste­phan Braun und Ute Vogt her­aus­ge­ge­be­ne Buch „Die Wochen­zei­tung ‚Jun­ge Frei­heit’ ”. Anlass war die Bro­schü­re des JF-Mit­ar­bei­ters Felix Kraut­krä­mer „Die offe­ne Flan­ke der SPD. Der Fall Ste­phan Braun und die Zusa­men­ar­beit von Sozi­al­de­mo­kra­ten mit Links­extre­mis­ten”, in wel­cher der Mann den übli­chen Argu­men­ta­ti­ons­weg ein­mal umkehr­te und dar­auf hin­wies, wie vie­le von Vogts und Brauns Kron­zeu­gen par­al­lel in links­extre­men Peri­odi­ka publi­zier­ten. In der Kraut­krä­mer-Bro­schü­re fan­den sich klei­ne Feh­ler, es gab das übli­che juris­ti­sche Hick-hack, inzwi­schen ist eine zwei­te, offen­bar juris­tisch was­ser­dich­te Auf­la­ge auf dem Mark – es gab jeden­falls kei­ne Kla­gen mehr dage­gen –, aus wel­cher her­vor­geht, dass an der Kern­aus­sa­ge kein Zwei­fel besteht.

Nach Über­prü­fung der Kraut­krä­mer-Fest­stel­lun­gen durch die Focus-Doku­men­ta­ti­ons­ab­tei­lung schrieb ich in besag­ten Arti­kel u.a. dies: „Min­des­tens sechs Autoren des Buches schrei­ben par­al­lel auch für Publi­ka­tio­nen wie ‚Der rech­te Rand’, ‚Anti­fa­schis­ti­sche Nach­rich­ten’, ‚Jungle World’, ‚Enough is enough’ oder ‚Gras­wur­zel­re­vo­lu­ti­on’, die alle­samt von diver­sen Lan­des­äm­tern für Ver­fas­sungs­schutz als links­extre­mis­tisch ein­ge­stuft wer­den.” Dann folg­te der Satz über den unter Pseud­onym agie­ren­den Anton Mae­ger­le, zu dem ich eine Unter­las­sungs­er­klä­rung unter­zeich­ne­te, denn ich hat­te geschrie­ben, er arbei­te für fünf ver­fas­sungs­schutz­re­le­van­te Peri­odi­ka, wo ich hät­te schrei­ben müs­sen: arbei­te­te; die zahl­rei­chen Ver­öf­fent­li­chun­gen lagen fünf und mehr Jah­re zurück – etwa der Arti­kel „Kame­rad Stoi­ber” über Edmund Stoi­bers „bes­te Kon­tak­te in die Grau­zo­ne des Rechts­extre­mis­mus” (Jungle World vom 21.August 2002) –, der Denun­zi­ant war längst als Hand­lan­ger im Main­stream ange­kom­men. Der ers­te Satz dage­gen blieb voll­kom­men unbe­an­stan­det und darf also wei­ter­hin behaup­tet wer­den, weil er nichts als die Wahr­heit sagt. Der Hin­weis auf einer Wiki­pe­dia-Dis­kus­si­ons­sei­te, Braun habe auf sei­ner Home­page behaup­tet, ich hät­te auch wegen die­ses Sat­zes eine Unter­las­sungs­er­klä­rung abge­ben müs­sen, ist zwar kor­rekt, aller­dings hat Braun, nach­dem ich ihn gefragt hat­te, was das soll, die­sen Pas­sus unver­züg­lich wie­der ent­fernt. Der Gevat­ter weiß schließ­lich sel­ber am bes­ten, wel­che Figu­ren er für sei­nen Klas­sen­aus­flug gegen rechts mit ins Boot genom­men hat.

Der Beschluss des Land­ge­richts Ber­lin folgt am Ende die­ses Ein­trags zum Down­loa­den, in der zwei­ten – kor­ri­gier­ten – Fas­sung ist der frag­li­che Satz ein­ge­klam­mert, d.h. aus dem Urteil her­aus­ge­nom­men und nur noch zur Erklä­rung des Sinn­zu­sam­men­hangs zitiert. Ich muss­te also, anders als in der Wike­pe­dia momen­tan behaup­tet, über­haupt nichts gegen­über Braun/Vogt zurück­neh­men, es gab über­haupt kei­nen Rechts­streit zwi­schen Braun/Vogt und Focus, son­dern aus­schließ­lich zwi­schen Mae­ger­le ali­as Modery und Focus.

Dass „Fio­na” et al. in mei­nem Wiki­pe­dia-Ein­trag beharr­lich ver­su­chen, den Gerichts­be­schluss als ein­zi­ge aus­sa­ge­kräf­ti­ge Quel­le aus den Fuß­no­ten zu ent­fer­nen und sei­ne Ten­denz zu ver­fäl­schen oder gar zu unter­stel­len, die Vor­wür­fe gegen Vogt/Braun sei­en aus der Luft gegrif­fen, zeigt in schö­ner Deut­lich­keit, wor­um es die­sen trost­lo­sen Figu­ren geht und dass sie an irgend­ei­ner Wahr­heits­fin­dung über­haupt nicht inter­es­siert sind. Allein die Rede von Unter­las­sungs­er­klä­rungen ist eine dreis­te Lüge, aber am Ende wird die Sache auch in der Wiki­pe­dia rich­tig wie­der­ge­ge­ben sein. 

Die kor­rek­te For­mu­lie­rung zur Beschrei­bung die­ses letzt­lich voll­kom­men neben­säch­li­chen Vor­gangs müss­te also lau­ten: Klo­novs­ky schrieb in Focus, dass „min­des­tens sechs Autoren…” etc pp. Gegen die Behaup­tung, er gehö­re zu die­sen Autoren, leg­te Mae­ger­le Kla­ge ein; Focus und Klo­novs­ky muss­ten ihm gegen­über eine Unter­las­sungs­er­klä­rung abge­ben.Das ist alles.

 

P.P.S.: Es wäre ein Miss­ver­ständ­nis, wenn nun jemand mein­te, ich fän­de irgend­ei­nen die­ser links­extre­men Publi­ka­ti­ons­or­te son­der­lich skan­da­lös, und ich wer­de mich auch nie wie­der auf die­ses Schnüff­ler-Niveau her­ab­be­ge­ben, wel­ches ich nur und gewis­ser­ma­ßen mit zuge­hal­te­ner Nase auf­such­te – wer steigt schon gern in Kloa­ken? –, um den Dietz­schmae­ger­les die­ser Repu­blik ein­mal auf ihrem Betä­ti­gungs­le­vel zu erschei­nen. Frei­lich, wie der Volks­mund weiß und ich nun prak­tisch auch: Wer mit einem Dreck ringt, er gewin­ne oder ver­lie­re, bekommt dre­cki­ge Hän­de. Indes der Dreck, um im Bil­de zu blei­ben, gar kein ande­res Lebens­ziel hat als zu beschmutzen.

 

P.P.P.S.: In mei­nem Wiki­pe­dia-Ein­trag steht jetzt u.a., das gynä­ko­zen­tri­sche Fach­blatt „Emma” habe her­aus­ge­fun­den, dass ich über den Femi­nis­mus Sachen schrei­be, wie man sie auch in der „Jun­gen Frei­heit” oder bei „eigen­tüm­lich frei” oder gar im „Spie­gel” lesen kön­ne. Was, neben den Stam­me­lei­en der bereits erwähn­ten links­fa­schis­ti­schen Gesin­nungs­kon­troll­fatz­kes (die übri­gens 16 Jah­re vor der Links­schei­te­lung mei­nes Wiki­pe­dia-Ein­trags erschie­nen sind), eben in eine kern­deut­sche „Enzy­klo­pä­die” so hineingehört…

 

P.P.P.P.S.: Ein Kol­le­ge weist mich auf ein Wiki­pe­dia-Dis­kus­si­ons­fo­rum hin, wo eine oder ein im Text erwähn­te® Wikipedist(in) notiert: „Mich wun­dert, das er dafür noch Schreib­rech­te im Focus hat. Ver­mut­lich leis­tet sich der Ver­lag einen sol­chen Mann am ultra­rech­ten Rand, um die ent­sprech­de­ne Leser­schaft zu hal­ten bzw. zu gewin­nen; läuft bei den Medi­en ähn­lich wie bei Par­tei­en.– fio­na (Dis­kus­si­on) 23:13, 26. Nov. 2012 (CET) ”

Fräu­lein oder Freund­chen, da muss ich nun doch mal vul­gär wer­den und ein biss­chen an Ihrem Sozi­al­neid kit­zeln: Wenn Sie wüss­ten, was ich für die Nut­zung mei­ner Schreib­rech­te monat­lich aufs Kon­to geschau­felt bekom­me! Man bezahlt mich dafür nahe­zu könig­lich! Woll­te schon mal jemand dafür ble­chen, dass er Ihnen Schreib­rech­te ver­leiht? Nein? Tja, dann müs­sen Sie wohl wei­ter für lau verleumden…

 


 

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