Mozart: Klavierkonzerte/Klaviersonaten

 

„Unser­ei­ner“, sag­te Johan­nes Brahms über Mozarts Klavier-(und Violin-)konzerte, „lebt davon, dass man das nicht kennt.“ Das mein­te er, unter­stel­le ich mal, nicht die Spur kokett. Mozarts Aus­nah­me­stel­lung unter den Kom­po­nis­ten hat ja mit der unglaub­li­chen Fül­le sei­ner melo­di­schen Ein­ge­bun­gen zu tun (Brahms wie­der­um, der enor­me Kön­ner, hat­te nur sehr weni­ge). Die­sen Ein­ge­bun­gen ent­spran­gen vie­le voll­ende­te Musik­stü­cke von sin­gu­lä­rer Schön­heit, ande­rer­seits – Sakri­leg! Sakri­leg! – lie­fer­te Mozart auch kon­ven­tio­nel­le, lang­wei­li­ge Auf­trags­wer­ke von einer gewis­sen Näh­ma­schi­ni­tät ab, und oft war bei­des unbe­küm­mert ver­mischt. Bei den Kla­vier­kon­zer­ten den­ke ich dabei spe­zi­ell an die drit­ten Sät­ze. Ähn­li­ches gilt für eini­ge Sona­ten. Ich wer­de zum Bei­spiel nie­mals das jeden Knie­fall recht­fer­ti­gen­de Andan­te gra­zio­so aus der A‑Dur-Sona­te KV 331 mit der Kir­mes­mu­sik des Ron­do „alla tur­ca“ im drit­ten Satz zusammenbringen… 

Mozart zu spie­len ist kei­ne vir­tuo­se, son­dern eine see­li­sche Her­aus­for­de­rung. Spe­zi­ell bei den lang­sa­men Sät­zen ist der Pia­nist oft gera­de­zu nackt. Es gibt eine Theo­rie, dass Mozart vie­le Sät­ze nicht aus­schrieb und sel­ber beim Vor­trag impro­vi­sier­te; wir hät­ten es dann mit einem ähn­li­chen Fall zu tun wie bei den anti­ken Skulp­tu­ren, die alle einst schrei­end bunt waren. Schwer vor­stell­bar aller­dings, dass im Ada­gio des A‑Dur-Kon­zer­tes (KV 488) irgend­ein Ton varia­bel sein soll­te; es han­delt sich um eine der hei­ligs­ten Pas­sa­gen der Musik über­haupt, und unmit­tel­bar bevor das Orches­ter nach dem zwei­ten Solo des Kla­viers wie­der ein­setzt ist es, als strei­che Gott dem Men­schen trös­tend über den Kopf. 

KV 488 ist lei­der auf der Gul­da-Box nicht ver­tre­ten, und da nie­mand die­ses Ada­gio erschüt­tern­der spielt als Gie­se­king, wer­den hier zwei Boxen emp­foh­len, denn ein­zeln ist KV 488 mit Gie­se­king nicht zu haben (auch wenn die Samm­lung nur zwei Mozart-CDs ent­hält, aber er ist bei Beet­ho­ven, Debus­sy und Ravel eben­falls überragend). 

Gul­da, für sei­nen Beet­ho­ven berühmt, war eben­so ein idea­ler Mozart-Inter­pret. Sein Spiel ist sowohl männ­lich-kraft­voll als auch von ergrei­fen­den­der Innig­keit. Er spielt Mozart tat­säch­lich so, als gin­ge es um Alles.

Icon: Wal­ter Gie­se­king, Box-Set, 8 CDs (EMI)

Fried­rich Gul­da, The Com­ple­te Mozart Tapes, 6 CD (Deut­sche Grammophon) 

 

Erschie­nen in: eigen­tüm­lich frei, Juli 2012

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