Franz Schubert: Die schöne Müllerin

 

Als Franz Schu­bert Wil­helm Mül­lers Lie­der­zy­klus „Die schö­ne Mül­le­rin“ ver­ton­te, war er um die 25 Jah­re alt. Mül­ler befand sich im sel­ben Alter, als er die Ver­se schrieb. Der Mül­ler­bur­sche, um den es geht, ist noch ein biss­chen jün­ger und bringt sich aus Lie­be um. Schu­bert starb mit 31, Mül­ler mit 32. Den Tenor Fritz Wun­der­lich ereil­te es mit 35. Das sind alles Zufäl­le, gewiss, doch sie illus­trie­ren, war­um die­se Musik trotz des Todes­hauchs, der ab dem Lied „Die lie­be Far­be“ durch sie weht, so jugend­lich klingt. Wir sind in der Hoch­ro­man­tik, und der Tod ist aller Roman­ti­sie­rung eigent­lichs­te oder zumin­dest extre­me Quintessenz.

Die Stim­me Fritz Wun­der­lichs ist oft geprie­sen wor­den, ihr Strah­len, ihre Fri­sche und ihr Schmelz sind uner­reicht. Der gebür­ti­ge Pfäl­zer ver­un­glück­te weni­ge Tage vor sei­nem 36. Geburts­tag töd­lich, und zu sei­nen letz­ten Ein­spie­lun­gen gehört Schu­berts Lie­der­zy­klus (im Stu­dio war es die letz­te). In die­ser Auf­nah­me ist der Höhe­punkt sei­ner Kunst erreicht – kon­kur­rie­rend wäre noch sein Part im „Lied von der Erde“ unter Klem­pe­rer zu nen­nen –, und die etwas brä­si­ge Kla­vier­be­glei­tung fällt dane­ben kaum auf bzw. ins Gewicht. Man hört zuwei­len, Wun­der­lich sei kein beson­de­rer Lied­in­ter­pret gewe­sen, weil dau­ernd der Opern­sän­ger durch­schla­ge; in mei­nen Ohren klingt das, als wenn jemand behaup­te­te, Apol­lo sei kein beson­de­rer Bogen­schüt­ze gewe­sen, weil dau­ernd  der Gott durch­schla­ge. Wun­der­lichs Lied­vor­trag erreicht in die­ser Auf­nah­me eine gesangs­kul­tu­rel­le Voll­endung, die ein­zig ihrer Natür­lich­keit und schlich­ten Her­zin­nig­keit wegen den Hörer dar­an erin­nert, dass es ein Sterb­li­cher ist, der dort singt. Das fina­le Wie­gen­lied des Baches etwa, eines jener Schu­bert­schen „hol­den Heim­weh­lie­der“ (Tho­mas Mann), gerät durch Wun­der­lich zu einem so herz­zer­knül­len­den wie trös­ten­den pan­the­is­ti­schen Requi­em. Ich bin immer wie­der fas­sungs­los, wie etwas so Schö­nes so weh tun kann. (Dass die Plat­ten­fir­ma danach noch drei Lie­der ange­pappt hat, ist Bastonade-würdig.)

Franz Schu­bert: Die schö­ne Mül­le­rin; Fritz Wun­der­lich, Hubert Gie­sen (Deut­sche Grammophon) 

 

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