Frauen, heißt es ständig, werden benachteiligt. Stimmt das wirklich, fragten sich unabhängig voneinander ein israelischer und ein deutscher Forscher. Ihre Antwort: nein!
Wie es zugeht im Patriarchat, erfuhr der Medienwissenschaftler Arne Hoffmann, im Herbst 1998, als er mit seinem Manuskript zum Stand des Geschlechterkriegs bei hiesigen Buchherstellern vorsprach. 80 Verlage lehnten das Opus als „zu brisant“ oder „zu polarisierend“ ab. Schließlich ermannte sich ein Berliner Szeneverlag. Rezensionen? Fehlanzeige.
Was hatte der Mann aus dem Taunus da bloß verzapft? Ein frauenverachtendes Machwerk? Eine sexistische Ketzerei? Eine absurde, durch nichts zu belegende Theorie? Ganz im Gegenteil. Hoffmanns Buch ist faktensatt (554 Belegquellen), es hat nur einen Makel: Sein Gegenstand ist die Benachteiligung von Männern. Emsig hat der Autor Belege zusammengetragen, um nachzuweisen, dass in unserer Gesellschaft „bestimmte aggressive Vorurteile“ gegen Männer gepflegt und Frauen dadurch privilegiert würden.
In diesen Tagen erhält der deutsche Maskulinist renommierten Flankenschutz: Martin van Creveld, „Israels führender Historiker“ („Sunday Telegraph“), hat eine Art Weltgeschichte der weiblichen Bevorzugung verfasst — mit der Conclusio, dass nichts unsinniger sei als die Meinung, Adam habe Eva stets unterdrückt. Das weibliche Geschlecht habe vielmehr auf Grund seiner Fruchtbarkeit schon allen frühen Gesellschaften als wertvoller und schützenswerter gegolten. Creveld: „Das weibliche ist das erste Geschlecht; er existiert, um ihr zu dienen, nicht andersherum.“
Das las man bisher anders — jedermann hat die Litaneien über weibliche Benachteiligung im Ohr —, aber die Belege, die beide Autoren für ihre These anführen, sind Legion.
So liegt zum Beispiel die durchschnittliche männliche Lebenserwartung heute fast überall deutlich unter der der Frau, in der westlichen Welt zwischen sechs und sieben Jahren. In primitiven Gesellschaften ist das Verhältnis noch umgekehrt. Seit sich die Herren der Schöpfung der Geburtsmedizin angenommen haben, liegen Ladys in Sachen Lebensdauer klar vorn.
Männer, führt der Israeli aus, arbeiten mehr und länger als Frauen, und vor allem haben sie zu allen Zeiten die härteren, gefährlicheren, schmutzigeren Arbeiten verrichtet (als unlängst eine Redakteurin im „Spiegel“ behauptete, „dass Frauen zwei Drittel der Arbeit erledigen“, unterließ sie tunlichst zu erwähnen, wo). Grundsätzlich gelte, so van Creveld: je härter die Bedingungen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, eine Frau anzutreffen. Im Bergbau, bei der Müllbeseitigung, in der Stahlindustrie oder auf See arbeiten kaum Frauen. Die Dächer, unter denen mehr oder weniger viele Frauen mit mehr oder weniger großem Recht über ihre Benachteiligung klagen, haben fast ausnahmslos Männer errichtet.
Männer sterben viel öfter eines gewaltsamen Todes. Sie bringen sich dreimal häufiger selbst um, im Alter von 20 bis 25 Jahren sogar fünfmal so oft. In den USA sind 93 Prozent der Toten nach Arbeitsunfällen Männer. Überall auf der Welt sterben Männer viel öfter in Folge von Verbrechen.
Fast immer blieb es Frauen erspart, an Kriegen teilzunehmen. „In der ganzen Geschichte hat nur eine Armee — Russland im Ersten Weltkrieg — versucht, eine Fraueneinheit aufzustellen“, notiert van Creveld. „Mehr als fünf Sechstel desertierten, bevor sie auch nur die Front erreichten — es gab übrigens keinen Versuch, sie daran zu hindern.“ (Zum Vergleich: Zehntausende Männer, die unter Kriegstraumata litten, wurden mit Elektroschocks behandelt und an die Front zurückgeschickt.)
Bei Katastrophen und anderen Gefahrensituationen gilt die sozialdarwinistische Maxime „Frauen und Kinder zuerst!“ Den „Titanic“-Untergang überlebten zu 80 Prozent Frauen.
Die medizinische Forschung bevorzugt van Creveld zufolge das weibliche Geschlecht. Kurz vor der Jahrtausendwende richteten die National Institutes of Health in den USA ein Büro für Frauengesundheit ein. „Als Ergebnis“, ermittelte der Historiker, „wurde doppelt so viel Geld in die Erforschung von Frauenkrankheiten wie in die von Männerkrankheiten gesteckt. Landesweit werden zwei von drei für Gesundheitszwecke ausgegebenen Dollars für weibliche Patienten verwendet.“ Allein die US-Army investiere jährlich 135 Millionen Dollar in die Brustkrebsforschung. Ähnliches gelte für andere Staaten.
Hoffmann wiederum verweist darauf, wie unangebracht die Jeremiaden über weibliche Unterrepräsentanz in der Politik sind. Frauen besitzen auf Grund von Quotenregelungen in den Regierungsparteien 41,5 Prozent der Bundestagsmandate, obwohl sie weniger als ein Drittel der Parteimitglieder stellen. Die Quotenidee hat längst auch den universitären Sektor erfasst. „Frauen werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt berücksichtigt“, heißt die Standardformulierung bei der Ausschreibung von Professuren, und Frauenrechtlerinnen fordern, diese Praxis auf die Wirtschaft auszuweiten. Wenn es „um den Einsatz von Kanalarbeitern geht, ist von fünfzig-fünfzig plötzlich nichts mehr zu hören“, spöttelt Männerfreund Hoffmann.
Seit jeher genießen Mädchen eine zartere Behandlung als Jungen, zu deren Privilegien jahrhundertelang die Prügelstrafe zählte. Das ist weitgehend passé, aber inzwischen schlagen Psychologen Alarm, weil Jungen in der schulischen Erziehung benachteiligt und am vermeintlich vorbildlichen Verhalten der Mädchen gemessen werden.
Frauen, so van Creveld, werden vor Gericht bevorzugt. Bei identischen Delikten verurteilen die Richter sie seltener zu Haftstrafen — und wenn, dann zu weit kürzeren — als männliche Angeklagte. Einer britischen Untersuchung zufolge wurden zwischen 1984 und 1992 23 Prozent der wegen Totschlags angeklagten Frauen freigesprochen (Männer: vier Prozent). Statistiken des US-Justizministeriums belegen Crevelds These, dass „ständig weitaus weniger Frauen im Gefängnis sitzen, als es der Fall sein würde, wenn sie genauso behandelt würden wie Männer“. Außerdem fänden sie weit komfortablere Haftbedingungen vor als Männer. Als etwa ein Gefängnisdirektor in Alabama auch weibliche Gefangene dazu heranziehen wollte, Abfall entlang der Autobahn aufzusammeln, musste er von seinem Job zurücktreten.
In allen Fragen der Erziehung und Zukunft des Kindes sind nicht verheiratete Väter entmachtet. Dafür werden sie unterhaltspflichtig, auch wenn die Kinder zur Hälfte beim Papa leben. Sogar eine depressive Alkoholikerin scheint für Erziehungsaufgaben besser geeignet als ein mental unbedenklicher Vater — diese Erfahrung macht ein Hausverwalter aus Regensburg, der seit Jahren um das Sorgerecht für seine beiden Kinder kämpft. Das Bundesverfassungsgericht bekräftigte erst im Januar die fundamentale Vetomacht der Frau.
Ein Standardbegriff der feministischen Benachteiligungspropaganda ist die „gläserne Decke“ — an die stoßen Frauen angeblich immer, wenn sie zu den wirklichen Chefposten vordringen wollen. Zahlen hiesiger Studienanfänger beweisen, dass die Startbedingungen für beide Geschlechter gleich sind. Freilich wollen nur halb so viele Frauen Rechts- und Wirtschaftswissenschaften studieren wie Männer, gar nur ein Drittel Mathematik und Naturwissenschaften, außerdem gibt es mehr weibliche Studienabbrecher. Eine Studie des Allensbach-Instituts anno 2000 ergab, dass nur 16 Prozent der Frauen eine volle Berufstätigkeit anstreben. „Wenn eine Frau etwas kann, setzt sie sich allein durch“, sprach Waltraud Reichardt, Unternehmerin des Jahres 1996. „Ich hatte als Frau und Unternehmerin fast nur Vorteile“, sekundiert Annette Winkler, Unternehmerin des Jahres 1991.
Frauengewalt scheint ein Tabu zu sein. Creveld und Hoffmann zitieren Dutzende in der Öffentlichkeit merkwürdig unbekannte Studien (etwa des kanadischen Justizministeriums von 1999 oder des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen 1998), die beweisen: Häusliche Gewalt geht von beiden Geschlechtern zu nahezu gleichen Teilen aus. Auch nach Ansicht von Michael Bock, Professor für Kriminologie an der Universität Mainz, führen Frauen hierzulande bei mindestens jedem zweiten Tätlichkeitsfall den Erstschlag. Einer kaum beachteten neuseeländischen Untersuchung zufolge treten Damen sogar dreimal häufiger als Täterinnen in Erscheinung. Das mutet bizarr an, aber auf der Seite der Frau stehen das mächtige Tabu „Mädchen schlägt man nicht (zurück)“ sowie nahezu die gesamte Gesellschaft, angefangen von der Polizei, die bei einem Hauskrach selbstverständlich den Mann mitnimmt. Männer, so Kriminologe Bock, „verlieren, wenn sie als Opfer weiblicher Gewalt an die Öffentlichkeit gehen: mindestens ihr Gesicht und ihre Selbstachtung, falls man ihnen überhaupt glaubt. Frauen gewinnen hingegen: Aufmerksamkeit, materielle und emotionale Unterstützung, die Wohnung, bessere Chancen in familienrechtlichen Auseinandersetzungen.“ Die vor eineinhalb Jahren vom Bundesfamilienministerium ausgeschriebene Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“ soll dem Thema auf den Grund gehen. Den Zuschlag erhielt der Berliner Dissens e.V., der nach eigenem Bekunden der „HERRschenden Männlichkeit“ den Krieg erklärt, allerdings auch bereit ist, bei Männern „Empörung über dieses Menschen verachtende Unrechtssystem und ihre Teilhabe daran zu wecken“. Man darf auf die übernächste Studie gespannt sein.
„Bei Misshandlungen von Kindern“, hebt die polizeiliche Kriminalstatistik 2001 hervor, „waren zwei von fünf Tatverdächtigen weiblich.“ Ein Fall aus Virginia, geschehen im Jahr 2000, ist extrem, aber bezeichnend: Eine Mutter tötete ihr Baby in der Mikrowelle und wurde, da sie das Gericht überzeugen konnte, in zeitweiliger Umnachtung gehandelt zu haben, zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, von denen sie bei guter Führung drei absitzen muss.
Feministischer Logik zufolge ist „jeder Mann ein potenzieller Vergewaltiger“ (so die US-Autorin Susan Brownmiller). Autorinnen wie Andrea Dworkin halten jede Penetration (also auch ihre eigene Zeugung) für Missbrauch. Ohne Angaben von Beweisen behauptet Alice Schwarzer gern und oft, jede vierte Frau werde vergewaltigt, jede zweite Opfer von anderweitiger Sexualgewalt. (Der „National Crime Survey“, die größte Verbrechensstudie der USA, ermittelte eine Vergewaltigung auf 1000 Frauen, die PKS zählt für 2001 bundesweit 7891 Fälle). Hoffmann deckt in seinem Buch die trüben Quellen solcher Zahlenmache auf: Umfragen von Feministinnen, die sogar obszöne Telefonanrufe oder Sex unter Alkohol in ihre Statistik einbezogen und immer selbst entschieden, was als Vergewaltigung zu werten sei.
Gewaltig schwillt das Crescendo der Männerbeschimpfung an. „Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wurden mehr Frauen tiefer und häufiger gefickt als in irgendeiner Epoche zuvor“, recherchierte die englische Literaturprofessorin Germaine Greer. Das Ergebnis: ein „epidemisches Auftreten“ von Genitalwarzen und Herpes. Der Buchhandel bietet Zeitgeist-Trouvaillen feil wie „Blöde Männer“, „Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“, „Männer wie Hunde“, „Ein bisschen Männerhass steht jeder Frau“. Kein Wunder, dass Frauen in Umfragen Männer deutlich negativer beschreiben als umgekehrt. Die Zeitschrift „Emma“ verbreitet neben quellenfreien antimaskulinen Statistiken Scherze wie „Was ist ein Mann in Salzsäure? Ein gelöstes Problem. Was ist ein Mann im Knast? Artgerechte Haltung“. Dafür bekommt frau heutzutage, wie Alice Schwarzer, vom Patriarchat das Bundesverdienstkreuz. Die niedersächsischen Landtags-Grünen haben schon eine neue Benachteiligung erkannt und fordern eine Frauenquote bei der Ordensverleihung.
Was folgt nun aus alledem für die Autoren? Hoffmann möchte gern mit den Damen vernünftig über alles diskutieren — und träumt von einer Gesellschaft, „die beiden Geschlechtern gerecht wird“. Der Historiker ist da pessimistischer: „Männer werden auch weiterhin alles tun, um Frauen ein leichteres, angenehmeres und längeres Leben zu ermöglichen“, im Zweifelsfall sogar für sie sterben. Aber — jetzt kommt’s — das sei auch völlig in Ordnung. „Schließlich“, so van Creveld, „wurden wir alle von einer Frau zur Welt gebracht, und in gewisser Weise zahlen wir nur eine Schuld zurück.“ Nur eins möchte der Mann: dass sich in all die Klagen und Beschimpfungen hin und wieder eine weibliche Stimme mische und sage: „Danke, Kamerad.“
Erschienen in: Focus 15/2003, S. 118 – 124, Co-Autor: Martin Scherer